Institute for Digital Business

Recht im digitalen Raum

Juni 3, 2016

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Aus dem Unterricht des CAS Digital Risk Management zum Thema „Recht im digitalen Raum“ mit Martin Steiger berichtet Ioannis Martinis:

Urheberrecht und das Recht am eigenen Bild

Urheberrechtsverletzungen, Datendiebstahl, anonyme Beschimpfungen und Nackt-Selfies aus dem Bundeshaus – ist das Internet ein rechtsfreier Raum? Die einfache Antwort lautet: nein. Was offline gilt, gilt auch online. Die Verletzung von Rechten kann im digitalen Raum ebenso juristische Konsequenzen haben wie in der “realen” Welt. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Offline- und Online-Welt besteht jedoch in der Durchsetzbarkeit des Rechtsanspruchs. Es fragt sich z.B., ob ein Schweizer Fotograf den Effort aufbringen möchte, eine Verletzung seiner Rechte gegen eine australische Website durchzusetzen; denn anders als das Überfahren eines Rotlichts an der Ecke Lagerstrasse/Kasernenstrasse hat die unrechtmässige Verwendung eines urheberrechtlich geschützten Bildes im Internet nicht nur lokalen, sondern globalen Charakter. Und auch wenn die Rechtsnormen einzelner Länder bisweilen vergleichbar sind, bestehen zumeist wesentliche Unterschiede. So ist – um nur ein einfaches Beispiel zu nennen – die Panoramafreiheit (Fotografieren eines Gebäudes von öffentlichem Grund aus) in der Schweiz gegeben, in Frankreich ausdrücklich nicht (vgl. Code de la propriété intellectuelle).

Die Abrufbereitschaft von Internet-Inhalten im Ausland kann indessen genügen für die Anwendbarkeit von ausländischem Recht und die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts. Eine Rechtswahl in AGB nützt nichts.

Für Bilder, Musik, Filme und andere geistige Schöpfungen gilt der Grundsatz: Ein urheberrechtlicher Schutz besteht im Zweifelsfalle immer (auch ohne ©-Zeichen), so lange nichts anderes vermerkt ist. Die Nennung der Quelle oder des Urhebers genügt nicht, um dieses Recht zu wahren, denn der Urheber oder die Urheberin hat das ausschliessliche Recht, zu bestimmen, ob, wann und wie das Werk verwendet wird (Art. 10 Abs. 1 URG).

In Deutschland hat sich mittlerweile eine regelrechte Abmahnindustrie entwickelt. Diverse Kanzleien haben sich auf die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen spezialisiert. Ist man von einer solchen Abmahnung betroffen, sollte man sie nicht ignorieren, sondern:

Ruhe bewahren
Schadenbegrenzung betreiben, Abmahnung prüfen, allenfalls Anwalt mandatieren
Unterlassungserklärung optimalerweise nur modifiziert abgeben
— einen aussergerichtlichen Vergleich anstreben (aber nicht um jeden Preis)

Aber nicht nur Urheberrechte werden im digitalen Raum oft verletzt, sondern auch Persönlichkeitsrechte wie das Recht am eigenen Bild.  Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild bereits zu bejahen, wenn jemand ohne seine Zustimmung um seiner Person willen fotografiert oder eine bestehende Aufnahme ohne seine Einwilligung veröffentlicht wird (BGE 127 III 481). Um solche Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, jeweils eine Einwilligung (Model Release) einzuholen. Selbstverständlich gelten sämtliche Regeln (Urheberrechte an eigenen Werken, an Werken von anderen oder auch das Recht am eigenen Bild) auch im Rahmen des “Social Sharing”.

Markenrecht

Häufig kommt es zu Markenrechtsstreitigkeiten, weil zu wenig Fantasie bei der Namensfindung an den Tag gelegt wurde oder keine Recherchen zur Vermeidung von Kollisionen mit bestehenden Kennzeichen betrieben wurden. Dabei gilt es, insbesondere auch die Ähnlichkeit (Bild, Klang, Sinngehalt, Art der Waren oder Dienstleistungen) bzw. die damit einhergehende Verwechslungsgefahr zu beachten, die ebenso zu einem Markenrechtsstreit führen kann. Häufige Fehler sind dabei die Hinterlegung der Marke am falschen Ort (z.B. nur in China statt auch in Hongkong), eine fehlerhafte oder unvollständige Hinterlegung und schliesslich keine Überwachung oder Verteidigung der Marke. Denn wurde die Marke fünf Jahre lang nicht (nachweislich) verwendet, kann sie einem strittig gemacht werden.

Für Recherchen nutzt man das offizielle Publikationsorgan des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE): Swissreg (www.swissreg.ch). Mit dieser Datenbank stellt das IGE ein kostenloses Informationstool für das Marken-, Patent- und Designregister sowie zu geschützten Topographien zur Verfügung. Nicht enthalten sind die internationalen Registrierungen von Marken mit Schutzwirkung auf die Schweiz. Diese findet man im Online-Register der Welthandelsorganisation für geistiges Eigentum WIPO (www.wipo.int/romarin).

Am Arbeitsplatz

Das Internet ist ein essentielles Informations- und Kommunikationstool am Arbeitsplatz. Es besteht jedoch je nach Verhalten des Arbeitnehmers ein gewisses Haftungs- und Reputationsrisiko für den Arbeitgeber. So können Geschäftsgeheimnisse verletzt oder die IT-Sicherheit gefährdet werden (Nacktselfies sind wohl eher die Ausnahme).

In einem vernünftigen Rahmen ist die private Nutzung des Internets (insb. Social Media) am Arbeitsplatz erlaubt. Was mit “vernünftig” gemeint sein könnte, illustriert das Video von Linde:

Die Risiken für den Arbeitgeber können derweil minimiert werden durch:

Prävention: Schulungen, Internet- und Social-Media-Richtlinien
Intervention: Kontrollen, arbeitsrechtliche Folgen bei Missbrauch, z.B. Verwarnung
Repression: rechtliche Schritte nach Bedarf, (fristlose) Kündigung

Das Verhalten des Arbeitnehmers darf bei einem konkreten Missbrauch personenbezogen überwacht werden. Der Arbeitgeber darf sich auch über einen Bewerber im Netz (legal, also nicht durch Erschleichen) informieren, wobei Informationen, die nicht die Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen, nicht verwendet werden dürfen (z.B. Ultraschallbild/Schwangerschaft).

Stichwort Erfindungen: Hat der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Arbeit etwas erfunden (Diensterfindung), gehört diese Erfindung dem Arbeitgeber. Bei sog. Gelegenheitserfindungen muss der Arbeitnehmer für die Übernahme der Erfindung durch den Arbeitgeber entschädigt werden. Bei freien Erfindungen kann der Arbeitnehmer diese dem Arbeitgeber zu Marktbedingungen übertragen. Anders bei Software – diese Nutzungsrechte liegen automatisch beim Arbeitgeber. Wichtig ist, dass überhaupt eine vertragliche Regelung zum Urheberrecht besteht.

E-Commerce und AGB

Für die Abwicklung von Rechtsgeschäften (insb. Massengeschäfte) sind AGB sinnvoll, weil sonst mit jedem Vertragspartner ein eigenes Vertragskonstrukt erstellt werden müsste. AGB dürfen aber nicht zum Nachteil des Konsumierenden ausgestaltet sein (Missverhältnis zwischen Rechten und Pflichten, vgl. Art. 8 UWG).

Im E-Commerce besteht die sogenannte Impressumspflicht (klare und vollständige Angaben zur Identität plus Kontaktadresse und E-Mail).

Um nicht zum “Spamer” zu werden, empfiehlt sich, Massenwerbung nur mit Einwilligung (Opt-in) zu versenden und eine Abmeldemöglichkeit (Opt-out) zu gewähren. Gewinnspiele sind erlaubt, solange kein geldwerter Einsatz geleistet werden muss und keine Kopplung an einen Kauf besteht.

Fazit

Wie so oft steckt der Teufel in rechtlichen Belangen im Detail – und die globale Abrufbereitschaft von Internet-Inhalten macht die Sache nicht unbedingt einfacher. Egal, ob online oder offline: Es gilt, bei rechtlichen Problemen einen kühlen Kopf zu bewahren, keine Kurzschlusshandlungen zu tätigen und sich angemessen zu informieren, bevor man etwas unternimmt.

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