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Die Fintech-Vorlage des Bundesrats

Dezember 11, 2017

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Aus dem Unterricht des CAS Digital Finance mit Dr. jur. Cornelia Stengel zum Thema Regulierung und Datenschutz berichtet Ivan Storto.

Cornelia Stengel begrüsst uns herzlich und gibt uns einen kurzen Überblick derjenigen Themen, die wir im Rahmen Ihres Vorlesungs-Nachmittags behandeln werden.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde kommen wir rasch zur Erkenntnis, dass der Umfang der Themen Regulierung und Datenschutz den Rahmen dieser Vorlesung rasch sprengen würde, wenn wir uns nicht auf einzelne Kernpunkte fokussieren würden.

Aus gleichem Grund beschränkt sich dieser Blog auf das Thema Regulierung und behandelt dabei insbesondere die neue Fintech-Vorlage des Bundesrates, dessen Vorschläge im Grundsatz bereits in die parlamentarische Beratung von FIDLEG und FINIG eingeflossen sind und damit in Kürze geltendes Recht werden könnten.

Künftige Finanzmarktarchitektur der Schweiz

Den ersten Teil der Vorlesung beginnen wir mit einem kurzem Überblick über die künftige Finanzmarktarchitektur der Schweiz:

  • Infrastruktur (Finanzmarktinfrastrukturgesetz, FinfraG)
    • Organisation und Betrieb von Finanzmarktinfrastrukturen
    • Verhaltenspflichten der Finanzmarktteilnehmer beim Effekten- und Derivatehandel
  • Dienstleistungen (Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG)noch nicht in Kraft!)
    • Regeln für Angebot von Finanzdienstleistungen und Vertrieb von Finanzinstrumenten
  • Beaufsichtigte (Finanzinstitutsgesetz (FINIG), noch nicht in Kraft!)
    • Aufsichtsregelung für Vermögensverwalter, Verwalter von Kollektivvermögen, Fondsleitungen und Wertpapierhäuser
  • Aufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz, FINMAG)

Anforderungen an die Bewilligung und Überwachung

Als nächstes gewinnen wir Einsicht in die verschiedenen Bewilligungsformen der FINMA und entsprechender Überwachungsintensitäten…

Übersicht Anforderungen FINMA

Übersicht Anforderungen an die Bewilligung und Überwachung

Bankbewilligung

…um anschliessend zu einer der Kernfragen der Vorlesung zu kommen: „Wer benötigt eine Bankbewilligung?“

Die Bankenverordnung (BankV) regelt es folgendermassen:

  • Publikumseinlagen (Art. 5 BankV)
    «Verbindlichkeiten gegenüber Kundinnen und Kunden»
  • Gewerbsmässig (Art. 6 BankV)
    «Wer dauernd mehr als 20 Publikumseinlagen entgegennimmt oder sich öffentlich zur Entgegennahme von Publikumseinlagen empfiehlt, selbst wenn daraus weniger als 20 Einlagen resultieren»

Die Voraussetzungen für das Erlangen einer Bankbewilligung sind finanziell, organisatorisch und in risikominimierender Hinsicht äusserst anspruchsvoll. Eine entsprechende Prüfung durch die FINMA kann gut und gerne 12-18 Monate beanspruchen und die Kosten auf ein mehrfaches der erforderlichen Eigenmittel treiben.

Aus der Betrachtungsweise eines Fintech-Startups ist folgende Frage deshalb von zentraler Bedeutung: „Welche Ausnahmen gibt es?“

Ausnahmen bei der Qualifikation als Einlage (Art. 5 Abs. 3 BankV):

  • Gegenleistung
  • Anleihensobligationen
  • Abwicklungskonten
    • Kein Zins
    • Innert 60 Tagen (neu seit 1. Aug. 2017)
  • Lebensversicherung, Vorsorge
  • Zahlungsmittel oder Zahlungssystem
    • Bezug von Waren und Dienstleistungen
    • CHF 3’000
    • Kein Zins
  • Ausfallgarantie

Ausnahmen bei der Beurteilung der Gewerbsmässigkeit (Art. 6 Abs. 2 und 3 BankV), «Sandbox», neu seit 1. Aug. 2017:

  • Höchstens CHF 1 Mio.
  • «Weder anlegt noch verzinst»
    oder «gewerblich-industrielle Tätigkeit und Verwendung der Einlagen dafür»
  • Information Einleger über fehlende Beaufsichtigung und Einlagensicherung

Fintech-Vorlage des Bundesrats

An seiner Sitzung vom 5. Juli 2017 hat der Bundesrat eine Änderung der Bankenverordnung (BankV) verabschiedet, die am 1. August 2017 in Kraft getreten ist. Zielsetzung dieser Änderung ist die Minderung von Markteintrittshürden für Fintech-Unternehmen sowie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes.

Fintech-Vorlage Schweiz

Fintech-Vorlage des Bundesrats

Konkret sieht die Änderung der Bankenverordnung (BankV) folgende Erleichterungen vor:

  • Statt der bisherigen Praxis einer Frist von 7 Tagen soll für die Entgegennahme von Geldern zu Abwicklungszwecken eine Abwicklungs-Frist von 60 Tagen gelten.
  • Die revidierte Bankenverordnung sieht zudem einen Innovationsraum (Sandbox) vor. Publikumseinlagen bis zu einem Betrag von 1 Million Franken gelten inskünftig nicht mehr als gewerbsmässig und sollen damit bewilligungsfrei möglich sein. Einleger sind ausdrücklich darüber zu informieren, dass ihre Einlagen durch die Einlagensicherung nicht gesichert sind.

Im Rahmen der Beratung des Finanzdienstleistungsgesetzes (FIDLEG) und des Finanzinstitutsgesetzes (FINIG) wurde im Parlament darüber hinaus eine weitere Änderung bereits aufgegriffen, welche das Bankengesetz (BankG) betrifft: Für Publikumseinlagen von maximal 100 Millionen Franken, die ohne die Gelder anzulegen oder zu verzinsen von Unternehmen entgegengenommen werden, soll im BankG eine neue Bewilligungskategorie (eine sog. Fintech-Lizenz) geschaffen werden.

Im Vergleich zur heutigen Bankbewilligung sollen für diese Bewilligungskategorie erleichterte Bewilligungs- und Betriebsvoraussetzungen in den Bereichen Rechnungslegung, Prüfung und Einlagensicherung gelten.

Die regulatorischen Erleichterungen gelten gleichermassen für Fintech-Unternehmen, wie auch für etablierte Finanzdienstleister. Dies soll verhindern, dass der Wettbewerb unter den Finanzmarktteilnehmern verzerrt wird.

Auch für neue Geschäftsmodelle gilt ausnahmslos die Anwendbarkeit des Geldwäschereigesetzes (GWG), zudem wird eine Unterstellung der Crowdlending-Tätigkeit unter das Konsumkreditgesetz (KKG) diskutiert.

Die Debatte im Parlament ist im Gange und soll in der Frühlingssession 2018 abgeschlossen werden, die Änderung soll voraussichtlich im Sommer 2019 in Kraft treten.

Vor- und Nachteile der Fintech-Lizenz

Pro:

  • Positives Signal: Innovationsförderung
  • Sehr schnelle Umsetzung

Contra:

  • Anwendungsbeispiele? Ist es überhaupt eine Fintech Lizenz?
  • Sehr schnelle Umsetzung
  • Keine rollen-/tätigkeitsbasierte Regulierung –> nur Bank ja/nein, kein EU Passporting
  • Willkürliche Betragsgrenze
  • Fehlender Anreiz zu wachsen
  • Effizienzgewinne durch Vermeidung von Regulationskosten?

Bei genauerem Betrachten wirkt die Fintech-Vorlage ziemlich unausgewogen. Die regulatorischen Anforderungen zur Einhaltung der Geldwäschereibestimmungen, sowie der Regeln des Konsumkreditgesetzes, dürften vor allem für Crowdlending-Anbieter hinderlich wirken, ganz entgegengesetzt zur eigentlichen Zielsetzung der Fintech-Vorlage.

Aus der Medienmitteilung des Bundesrates zur Inkraftsetzung der neuen Fintech Regeln vom 5. Juli 2017 ist zu entnehmen:

Der Bundesrat wird die weiteren Entwicklungen im Bereich Digitalisierung und FinTech weiterhin verfolgen und weitere regulatorische Massnahmen prüfen. Die entsprechenden Arbeiten, etwa zur Klärung der rechtlichen Qualifikation von virtuellen Währungen, wurden bereits an Hand genommen und sollen rasch vorangetrieben werden.

Wir werden die weiteren Entwicklungen gespannt verfolgen!

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