Institute for Digital Business

Technologie ist Hygienefaktor

Mai 25, 2020

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Aus dem Unterricht des CAS Digital Finance mit Andreas Staub berichtet Stefan Holderegger

Teil 1, Verhaltensökonomie, Unterricht vom 14. April 2020

Im CAS Digital Finance dreht sich alles um neue Technologien und disruptive Geschäftsmodelle. Gerade aber die Vorlesung von Andreas Staub zum Thema “Behavioral Economics” bzw. Verhaltensökonomie setzt in diesem CAS einen Kontrast zur sonstigen Agenda.

Technologie als Wettbwerbsfaktor hat ausgedient

Er führte das Thema mit einer Rückblende auf die grössten technologischen Meilensteine der letzten 200 Jahre ein. Er zeigt auf, wie sich die zeitlichen Abstände einzelner Meilensteine über die Zeit hinweg immer mehr verkürzt haben. Daraus schliesst er, dass die Technologie als Wettbewerbsvorteil zunehmend unwichtiger wird. Diese ist heute innert kürzester Zeit kopierbar. Ein technologischer Wettbewerbsvorteil mit einer Halbwertszeit von ein paar wenigen Tagen führt zu keinem dauerhaft lebensfähigen Geschäftsmodell. Vielmehr führt Technologie zu einer tiefmargigen Commoditisierung von Dienstleistungen. Es braucht folglich mehr als reine Technologie.

Mensch denkt und handelt irrational

Wir Menschen sind keineswegs rein rational denkende Wesen. Wir kaufen ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht nur aus rationalen oder rein ökonomischen Überlegungen. Vielmehr beeinflussen zahlreiche andere, verhaltensökonomische Faktoren unser Konsumverhalten. Anhand spielerischen Übungen im mentimeter.com entlarvte Andreas Staub die Teilnehmer des CAS Digital Finance als überwiegend nicht rational denkende Menschen. Damit ist die Grundlage für das Thema Verhaltensökonomie geschaffen.

Menschliches Verhalten wird gesteuert durch zwei Systeme:

  • System 1, das schnell, impulsiv und emotional entscheidet
  • System 2, das langsam, bewusst, analytisch und entscheidet

Im Verkauf von Produkten bzw. Dienstleistungen ist es für die Preissetzung entscheidend, welches System durch Bewerbung aktiviert wird. Je stärker ein Produkt oder eine Dienstleistungen als Commodity vom Kunden wahrgenommen wird, um so tiefer dürfte dessen Preis ausfallen. Das rationale System 2 dürfte den Kaufentscheid treffen. Ist ein Produkt bzw. Dienstleistung emotional aufgeladen, so dürfte das System 1 über den Kaufentscheid befinden. Das ursprüngliche Commodity wird mit zusätzlichem Wert angereichert. Es erlaubt damit die Durchsetzung deutlich höherer Preise. Andreas Staub hat diesen Mechanismus anhand der Coca Cola-Analogie anschaulich aufgezeigt.

Prospect Theory

Eine Entscheidung wird immer im Bezug auf einen Referenzpunkt getroffen. Ein Unternehmen kann diesen Referenzpunkt beliebig setzen.

 

“Die Prospect Theory [von Kahnemann und Tversky] beruht auf dem Verständnis, dass das individuelle Risikoverhalten je nach eingeschätzter Sicherheit eines auftretenden Ereignisses variiert. Demnach wird der ökonomische Erwartungsnutzen von vielen Individuen nicht als Entscheidungsgrundlage genutzt.” (vgl. Wikipedia)

Die S-Kurve besagt, dass kleine, aber sicher Gewinne einen grösseren Nutzen erzeugen wie grosse, jedoch unsichere Gewinne. Ferner zeigt die Kurve in der unteren Hälfte, dass kleine, jedoch wahrscheinliche Verluste schwerer wiegen wie grosse, jedoch unsichere Verluste. Je höher der Verlust, um so abnehmender ist der Grenzdisnutzen für ein Indviduum. Ferner wird der Nutzen bzw. Disnutzen stets zu einem (subjektiven) Referenzpunkt evaluiert. Die Erwartungstheorie zeigt damit auf, dass Menschen Entscheidungen nicht rational, d.h. basierend auf dem ökonomischen Nutzen treffen.

Entscheidungen mit Verhaltensökonomie beeinflussen

Entscheidungsverhalten kann mit nachfolgenden Strategien beeinflusst werden:

  1. “Assymetrische Dominanz”: Das blosse Hinzufügen einer inferioren Option, die selbst nie gewählt wird, hat starke Auswirkungen auf die Kaufentscheidung. Sie dient nämlich als Entscheidungshilfe.
  2. “Anchoring”: Die Darstellung von absichtlich positionierten Zahlen beeinflusst Menschen, ohne dass sie sich dessen bewusst sind.
  3. “Defaults”: Default Setting führt einen Grossteil der Leute dazu, bei einer Auswahl von 2 Alternativen, sich für die (vor-)bestimmte Option zu entscheiden. Die vorbestimmte Option ist dabei bereits angekreuzt. Der Kunde müsste also aktiv das Kreuz entfernen, um auf die Option zu verzichten.

Ferner ist menschliches Verhalten auch von Selbstüberschätzung gekennzeichnet. Wir folgern daraus, dass menschliches Entscheidungsverhalten keineswegs rational ist. Vielmehr spielen nachfolgende Faktoren in das menschliche Entscheidungsverhalten hinein:

 

Für den kommerziellen Erfolg eines Geschäftsmodells ist es dabei entscheidend, dass relationaler Kundennutzen aufgezeigt werden kann:

  • sozialer Nutzen
  • psychologischer Nutzen
  • verhaltensökonomische Präferenzen

Fokussiert ein Business Modell dank ausgeprägter Technologiebasierung zu stark auf den transaktionalen Nutzen, dann ist ein Geschäftsmodell erstens rasch kopierbar. Zweitens dürfte sich der Preis den Grenzkosten annähern oder sogar darunter gehen (vgl. Robin Hood, keine Transaktionsgebühren im Wertschriftengeschäft). Es geht also folglich um bedeutend mehr als nur um “mehr”, “besser” und “schneller” im Bezug auf transaktionalen Nutzen.

Banking als Vertrauensgut

“Ein Vertrauensgut ist ein Gut, dessen Qualität man weder vor, während noch nach dem Konsum einschätzen kann.” Banking und Versicherungsdienstleistungen fallen unter diese Kategorie. Dies hängt mit Informationsassymetrien zusammen. Die Entstehung von Vertrauen setzt Vertrauenswürdigkeit voraus. In der Führung und im Management ist das Geben von Vertrauen eine Risikostrategie. Diese steht nämlich diametral der Kontrolle gegenüber. Andreas Staub hat verschiedene Statistiken gezeigt, die den positiven Einfluss einer Vertrauenskultur auf die Performance eines Sytems belegt haben. Vertrauen, Fairness und Reziprozität fördern die Motivation und erhöhen somit die Leistungsfähigkeit. Der respektvolle Umgang mit Mitarbeitern ist damit nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich wünschenswert.

Teil 2, Verhaltensökonomie, Unterricht vom 5. Mai 2020

Nach einer kurzen Rückblende auf den ersten Teil der Vorlesung zum Thema Verhaltensökonomie taucht Andreas Staub in das Thema Unternehmenskultur ein. Das pointierte Zitat “culture eats strategy for breakfast” betont die Wichtigkeit der Unternehmenskultur für den Erfolg eines Unternehmens. Als zentrale Erfolgsfaktoren für eine “high performance company” nennt er ferner Mitarbeiterselektion und Bezahlung.

Ein MbO kann die erfolgreiche Umsetzung einer bestimmten Strategie in einem Unternehmen nicht einzig und alleine erzeugen. Es braucht vielmehr die Bereitschaft der Mitarbeiter, die durch die Kultur bestimmt wird.

Auf Kultur und nicht Prozesse fokussieren

Rein prozessuale oder strukturelle Anpassungen in einem Unternehmen mit Vernachlässigung der Mitarbeiter und der Kultur können zu unerwünschten Nebenwirkungen auf der Verhaltensebene führen. Eine eindimensionale und auf den ersten Blick einfache und schnell zu implementierende Veränderung auf der Strukturebene führt oft nicht zum erfolgreichen Wandel in einem Unternehmen. Mit den Erkenntnissen aus der Verhaltensökonomie kann ein angestrebter Wandel erfolgreich bewältigt werden.

Für die Entwicklung der Kultur ist die Bildung der Identität entscheidend. Je höher die Identität eines Individuums, umso höher ist die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Nachfolgend die vier wichtigsten Identitätstreiber:

  • Übereinstimmung der Werte zwischen Individuum und Gruppe (z.B. Gleichbehandung, Fairness)
  • Gemeinsam geteilte soziale Normen (z.B. Zusammenarbeitsnorm)
  • Gewohnheiten durch langfristigen Kontakt mit einer Gruppe (z.B. Anstellungsdauer)
  • Möglichkeit individuelle Präferenzen auszuleben (z.B. Arbeitszeiten)

Kundenidentität genau so wichtig

Neben der eben beschriebenen Mitarbeiteridentität gibt es aber auch die Kundenidentität, deren Ausprägung auf folgende Dimensionen einen positiven Einfluss hat:

  • Einkaufshäufigkeit
  • Kundenzufriedenheit
  • Preissensitivität (invers)
  • Einkaufsverhalten
  • Überwindung von räumlichen Distanzen, um beim bevorzugten Geschäft einzukaufen

Es lohnt sich aus Sicht der Verhaltensökonomie also, die Identität aktiv zu beeinflussen. Diese kann ferner durch den sogenannten Ingroup-Bias-Test (IBT) gemessen werden, der sich dem Halo-Effekt bedient. Dabei wird entlang veschiedener sichtbarer Parameter (z.B. Kundenzufriedenheit) deren Ausprägung gemessen. Daraus kann auf die Stärke der Identität geschlossen werden.

Koordination vs. Kooperation

Koordination bedeutet Abstimmung zwischen zwei oder mehreren Entitäten zwecks Funktionstüchtigkeit eines Systems. Kooperation bedeutet, dass alle dafür maximale Leistung erbringen und keiner sich auf Kosten anderer besser stellt (“free riding”). Mit Koordination und Kooperation lässt sich optimale Kollaboration bzw. Zusammenarbeit erzielen.

Die Koordinaton lässt sich dabei durch strukturelle und prozessuale Massnahmen (z.B. Meetings) vergleichsweise einfach etablieren. Die Etablierung und Aufrechterhaltung der Kooperation ist dabei diffiziler. Andreas Staub hat dabei folgende 6 Massnahmen dafür genannt:

  • Kommunikation
  • Transparenz
  • Reward (Entschädigungen als positive Anreize)
  • Leadership & Belief Management
  • Change People
  • Bestrafung

Verhaltensökonomie fordert Sanktionen

Die Verhaltensökonomie hat in Experimenten geprüft, inwieweit diese Massnahmen in deren bzw. ohne deren Umsetzung Einfluss auf die Kooperation haben. Es gibt zwei Feststellungen, die allen Massnahmen gemeinsam sind:

  • Mit Massnahme konnte ein höherer Wert erzielt werde wie ohne Massnahme.
  • Mit zunehmender Zeit wurde eine Abschwächung des Effekts auf die Kooperation festgestellt.

Allerdings vermag keine Massnahme die Kooperation dauerhaft auf dem anfänglich hohen Niveau halten. Für die Aufrechterhaltung von sozialen Normen, die für kooperatives Verhalten unabdingbar sind, bedarf es zusätzlich wirklungsvoller Sanktionierungsmöglichkeiten. Es gibt folgende Kategorien von Sanktionen:

Verhaltensweisen in “public-good”-Situationen

Ein öffentliches Gut definiert sich durch Nicht-Ausschliessbarkeit und Nicht-Rivalität im Konsum. Ein Beispiel dazu wäre die Luft. Es kann niemand vom Konsum der Luft abgehalten werden und es gibt keine Rivalität um den Konsum von Luft. Es gibt zwei Dimensionen, die unser Verhalten im Umgang mit einem öffentlichen Gut bestimmen: Bereitschaft etwas zu tun für das Gut und Bewusstsein negativer Effekte auf das Gut. Folgende Parameter bestimmen dabei die Bereitschaft:

  • Soziale Kosten
  • Psychologische Kosten
  • Ökonomische Kosten
  • Präferenzen

Wünschenswert wäre, dass sowohl die Bereitschaft wie auch das Bewusstsein für ein öffentliche Gut hoch sind. Ist dies nicht der Fall, so sind entsprechend Massnahmen einzuleiten.

Abschluss

Gerade für mich als Leiter einer Verkaufsorganisation im Bereich Private Banking waren diese beiden Halbtage über die Verhaltensökonomie enorm wertvoll. Wie kann der schleichenden Commoditisierung unserer Dienstleistungen begegnet werden? Ich habe äusserst wertvolle Inputs für meinen Berufsalltag erhalten, die umsetzbar sind. Vielen Dank für beiden interessanten Referate, Andreas Staub.

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